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Prangenten e. V. prangert an: Besser passend zahlen in Berlin, sonst…

Vor ein paar Tagen zerrten Bloggerkollege fraggle und ich den „Prangenten e.V.“ in die Existenz. Der Zuspruch war erfreulich, zahlreich, erfreulich zahlreich und machte Mut. Mut zur Prangenz*! Eingegangene Bewerbungen wurden gesichtet und alle für gut befunden. Wer sich unseren Themen also anschließen möchte, der soll sich gerne daran und darüber her machen. Wir freuen uns auf die Teilnahme und vielen Dank an alle.

Während fraggle vorgestern bereits, und aus berechtigtem Grund, ein lokales Thema mit Straßenschildern angeprangert hat, geht es mir um eine Berliner Eigenart.

Denn ich bin Berliner. Mit ganzem Herz. Und Tränen in den Augen als ich als Kind wieder nach Hause außerhalb Berlins fuhr. Also mit allem was dazu gehört. Ich bin Fan dieser Stadt, die die Freundlichkeit auf der Zunge durch die selbige chauffiert. Meist ist sie allerdings gut versteckt. Leider nicht die Zunge, eher die Freundlichkeit. Das macht aber nichts. Denn so wie der Lippenbalsam in der werten Gattin Handtasche weiß man ja immer sie muss irgendwo sein, sie ist nur manchmal etwas vergraben.

Berliner zu sein ist also an sich nicht schlimm, und macht sich gut im Lebenslauf. Finde ich. Aber eine Eigenart, die ich bis dato nur aus Berlin kenne, löst stets eine gewisse, teilweise sogar vorauseilende, Nervosität in mir aus. Diese Nervosität schlägt dann seit neustem auch schon mal in Prangenz* um. Vielleicht leide ich ja seit neustem auch an CPD (compulsive prangenting disorder, also ein Zustand des zwanghaften Anprangerns von Miss- und Mistständen) wie der moderne Psychiater zielsicher und pauschal aus dem Ärmel geschüttelt zu kategorisieren weiß.

Wenn ich, und an dieser Stelle sei stellvertretend für das große Ganze das backende Handwerk genannt, in Berlin etwas einkaufen gehe, warum muss ich mir da im Vorhinein schon Gedanken darüber machen, ob ich auch passend werde zahlen können?

Wie sollte ich das bitte praktisch lösen?

Weiß ich vorher immer genau was ich will? Selten, denn meist weiß ich ja bis kurz nach dem Erreichen des Tresens noch nicht wirklich was ich überhaupt möchte.

Kenne ich die Preise aus dem Kopf, und stelle mein Budget entsprechend der erwarteten Verzehrpräferenzen vorher zusammen? Nicht wirklich.

Plane ich meine Verzehrtour um mein passend‘ Geld herum? Wohl kaum.

Lasse ich mich jeden Tag, rein präventiv, von 10 Euro in abgezählten 5ct-, 10ct- und 20ct-Münzen begleiten? Nein, das wird mir zu schwerwiegend.

Muss ich, nach einem Blick in meine Geldbörse, auf den Kaffee verzichten, wenn ich nur Scheine bei mir trage? Weil ich die Gegenfrage und den Anschiss fürchten muss, nur weil ich bei einem Zahlbetrag von 4,70 Euro keine 20ct zum 5 Euro-Schein beitragen kann? Nur damit mir Frau F. jenseits des Tresens 50ct statt 30ct wiedergeben kann? Ist mir zu kompliziert, daher bin ich dagegen, und daher prangere ich das an.

Ich meine mal im Ernst. Kann denn jeder einzelne Kunde wieder aufs Neue eine Überraschung darstellen, dass er die Frechheit besitzt, nicht mit passendem Kleingeld an den Dienstleister heranzutreten? Überfordert es die, offensichtlich stets unvorbereitete, Kasse von Frau F. jedes Mal erneut? Rechnen Dienstleister B., Servicekraft F. und Servicekasse K. nicht mit so etwas und bereiten sich vor, indem sie einen Kleingeldwechselbetrag X vorhalten? Oder werden hier, schwerpunktmäßig in Berlin, die Bäckereifachverkäufer auf solcherlei Peinigung getrimmt? In der Unterrichtseinheit „Kunden ärgern, aber richtig. Aufbaukurs II“ werden Phrasen vermittelt und getrichtert:

  1. Aha, hammwas nich noch größer?
  2. Hammse dit nich kleener?
  3. Nee junger Mann, 20iger nehmwa hier nich!
  4. Hammse noch 20ct? Sonst kannick nich rausjeben!
  5. Wat is denn heute los? Alle kommse nur mit 20iger!
  6. Nee!
  7. Wa?
  8. Wat?
  9. Is schon weg! Bald Feierabend!

Dazu noch ein zauberhaftes Augenrollen sobald keine Münzen zur Ausgleich der Schuld dargereicht werden, und schon fühle ich mich schlecht genug und bereue.

Vielleicht habe ich auch die AGB nicht gelesen die mir als Kunden meine Pflichten darlegen. Gibt es da irgendwo eine schriftlich fixierte Verantwortung oder Verpflichtung die ich habe? Darf ich vielleicht sogar im 20m-Radius eines Bäckers vielleicht gar keine Scheine bei mir tragen? Gibt es tatsächlich ähnliche Einschränkungen wie in den Beförderungsbedingungen des lokalen ÖPNV der mir die Pflicht auferlegt passend zu zahlen, da mir ansonsten der Ticketkauf und somit eine Beförderung einseitig versagt werden kann? Dass also das Beförderungspersonal mir den Kauf eines Tickets beim Besteigen des Busses anbietet ist also reine Kulanz. Und dass mir von eben diesem sogar Geldwechsel angeboten wird, nur weil ich gerade 2,80 Euro nicht passend habe ist dann offensichtlich…hmm naja, streng genommen ein Eigenbruch der Beförderungsbedingungen.

Vielleicht übertreibe ich ein wenig. Oder komplett. Vielleicht geht es nur mir so. Keine Ahnung ob das in anderen Städten auch so ist (was mich wirklich mal interessieren würde). Vielleicht bricht sich hier nun ein kleines Unmutchen seine Bahnen. Vielleicht ist es einfach die Angst vor Frau F., dass ich morgen wieder keinen Kaffee to go bekomme, weil ich mein Kleingeld zu Hause vergessen habe, und ich auf das Augenrollen verzichten möchte aufgrund meines 5 Euro-Scheins.

Ich weiß es nicht. Ich werde es herausfinden. Und eine Bürgerbewegung für kontaktlose Kartenzahlungen von Kleinstbeträgen bei Bäckern initiieren. Ich hoffe der Prangenten e. V. steht geschlossen hinter mir. Zusammen kriegen wir das gebacken.

René

*Prangenz, die = Wortneuschöpfung zur Beschreibung des momentanen Zustand des Anprangerns aufgrund einer gegebenen Stresssituation in der man Unmut kundtun will

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