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Prangenten e. V. prangert an: Der Berlinerick vermittelt in der Streiksaison

Man hatte ja nicht mit ihr gerechnet. Vor allem in Berlin nicht. Sie scheint so wie der Winter zu sein. Man ist immer wieder überrascht, wenn sie plötzlich da ist. Aber dann kommt sie dicke, massiert und unvorbereitet.

Die Berliner Streiksaison.

In diesem Moment da ich diesen Beitrag schreibe, wurde genau diese Saison mit dem ersten Heimspiel bereits eingeläutet und anständig begrüßt. Denn am Mittwoch 13. Februar 2019 streikten sich zunächst die Lehrer, und der dazugehörige öffentliche Dienst, in die Herzen der hauptstädtischen Einwohner. Für mich und meinen Nachwuchs hieß das, dass die Notbeschulung um 14 Uhr endete, und mein Kind zurück in die Obhut der Eltern überstellt wurde. Was nicht schlimm ist, denn man mag sich ja. Mein großes Manko ist in der Regel, dass ich sowas entweder nie rechtzeitig oder überhaupt mitbekomme. Oder aber, und das wäre noch zu beweisen, meine Gemahlin sowas vor mir zurückhält, um mich zartes Gemüt nicht unnötig mit den Strapazen des Alltags zu belasten. Somit hatte sie ihren Teil rücksichtsvoll getan, und der Lehrerstreik ging für alle Streik-Unbeteiligten glimpflich aus.

Aus lauter Dankbarkeit war ich dann später leider weit weniger rücksichtsvoll als ich hätte sein sollen, als ich ihr dann am Mittwoch Abend mitteilte, dass uns am Freitag die Berliner Verkehrsbetriebe die Transportdienste versagen werden. Ich muss das irgendwie unromantisch rübergebracht haben, denn das sorgte fast zeitgleich bei uns beiden für Frust.

Traumfrau: „Ja aber, wie sollen wir denn dann bitte zur…mann ey…Schule und so? Wo die doch jetzt gerade wieder streikfrei ist? Soll ich etwa…ach komm…Fahrrad?“

Ja, das ist eine berechtigte und gute Frage die sie da in den Raum warf. Dazu sollte ich DJ Bsirske und seine Marschbläser von ver.di einmal interviewen. Auch wenn es bei dieser einen Frage bestimmt nicht bleiben würde. Ich hätte da noch ein paar weitere, die sich nur auf einer gewissen gefühlten Realitätsfremde der Bläser gründen.

Beispiel aus dem Tagesspiegel: Der BVG fehlen schon jetzt mehr als 1.300 Mitarbeiter die sie gerne einstellen würde. Leider finden sie diese nicht aufgrund von bereits vorhandenem Fachkräftemangel. Würde die ver.di-Kombo ihre diversen Forderungen durchsetzen, dann müsste die BVG noch weitere 500 Leute einstellen. Was grundsätzlich nicht schlecht ist. Lässt man mal den, eher nebensächlichen, Fakt außer Acht, dass sie diese auch nicht ohne weiteres finden werden. Macht dann schon mehr als 1.800 neue Mitarbeiter die sie dann nicht werden haben können. So macht man ein Problem aus einem Problem.

Das macht so offensichtlich keinen Sinn. Und daher prangere ich das an.

Wie der genannte Artikel auch zu berichten weiß, soll das am Freitag ein Warnstreik sein, weil am vorausgeeilten Montag nach einem Verhandlungsmarathon von wahnsinnigen 2,5 Stunden keine Einigungen zu erzielen waren. An einem Freitag keine U-Bahnen und Busse bis Mittag nennt sich Warnstreik? Was folgt nach der Verwarnung wenn die ernst machen? Soll ich auf gut Glück selbst einen Bus fahren? Daran kann ja auch keinem gelegen sein. Das würden sicher andere anprangern, so sie sich denn in meinen Bus mit der laufenden Nummer 99 trauen würden.

Die Ironie an der Sache: ich und meine innere Stimme fahren normalerweise mit der U-Bahn, die beim Streik nicht fährt, zur S-Bahn. Die eher so mittel-meistens fährt.

In dieser etwas verfahrenen (haha) Situation hilft am Ende nur noch eines. Ein gepflegter Berlinerick wird hier feststellend und vermittelnd tätig werden müssen. Etwa so:

Es heißt in Berlin kann man streiken.
Ganz oft. Oft zu ganz schlechten Zeiten.
Die Schule. Die Bahn. BVG ganz speziell.
Der Berliner an sich braucht hier ganz dickes Fell.
Weil die Adern im Hals sich sonst weiten.

Das kann ja ein Freitag werden. Vielleicht gibt es etwas zu berichten. Ich melde mich dann 🙂

René


Ein Hinweis in eigener Sache: Dieser Beitrag hat es so oder ähnlich natürlich auch in mein Buch geschafft. Glückwunsch, lieber Beitrag 🙂 Mehr Informationen dazu gibt es auf der Buchseite.

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