[ABC.ETÜDEN 03.04.22] Wackelpudding des Jahres
In schöner Regelmäßigkeit lädt Christiane zu den Etüden, und verschiedene Leute und Impulse meinen, ich sollte mich daran auch mal wieder beteiligen. Wie recht sie haben. Sowohl die Impulse, wie auch die Leute 🙂
Die Wortspende für die Textwochen 03/04 des Jahres 2022 stammt zum ersten Mal von Tanja mit ihrem Blog Stachelbeermond. Sie lautet:
Wackelpudding
unverdrossen
knistern.
[Etüde an]
Der Titel „Wackelpudding des Jahres“ wird für besonders tolle Geschäftsideen verliehen, die zwar außerordentlich gut klingen, aber auf sehr wackligen Beinen stehen. So geschehen bei der in meinen Augen überflüssigsten Dienstleistung seit es Haushaltsgelatine gibt: Briefankündigung per Mail.
Wer, wann, wie, warum kam jemand auf die Idee, mir meine Briefe per Mail ankündigen zu wollen? Was ist die Idee dahinter? Dass ich es eher schaffe in mein elektronisches Online-Postfach zu sehen, um zu überprüfen, ob sich ein Gang zum Offline-Postfach lohnt? Oder weil ich die Post von Finanzamt so sehr herbeisehne, dass ich sicherstellen will, dass sie auch wohlbehalten und bald ankommt? Schaut jemand mit chronisch überfülltem Briefkasten öfter in seine Mails? Ich melde Zweifel an …
Man stelle sich die Geburtsstunde dieser Idee vor: in dem Team, das bei der Post für neue Geschäftsfelder zuständig ist, gab es ein Meeting. Verschiedene Ideen wurden diskutiert, verworfen, aufgewärmt. Und dann? „Leute! Ich hab’s!“ platzte jemand aus dem Product Development in die Runde. Die Luft knisterte vor Spannung … „Lasst uns den Customers ihre Briefe per Mail ankündigen. Neue und alte Welt combined! Bei einer Laufzeit von roughly zwei Tagen pro Brief ist das ein Zeit- und Wettbewerbsvorteil!“ 79,5 % der Kollegen hielten es für Unsinn, 15 % waren dafür *. Unverdrossen wirbt der Developer für seine Idee und peitscht diese durch bis zur Produktreife, die bis heute nie eingetreten ist.
Umso erstaunlicher, dass man dafür noch immer Werbung macht. Sogar ein Bild des Umschlages erhalte ich bei Nutzung des Dienstes, das Thema Datenschutz scheint nicht so wichtig zu sein. Bei der Idee muss ich noch immer gleichzeitig lachen, weinen und das Gesicht verziehen.
Daher erhält diese Idee von mir den „Wackelpudding des Jahres“ in der Geschmacksrichtung Konservengurkenwasser. Denn da geht es mir ähnlich, wenn ich das aus dem Glas trinke 🙂
[Etüde aus]
* der Rest, der an 100 % fehlt, hat sich stillschweigend und peinlich berührt der Stimme enthalten …
Wer an dieser Idee mehr sieht als ein Spottobjekt oder mir einen Sinn dahinter darlegen möchte, der möge sich bitte melden 🙂
Danke.
– Der BerlinAutor
14 Kommentare
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Werner Kastens
Korrektur: .. die auch nicht funktioniert hat …
BerlinAutor
Ja, anders wäre komisch gewesen 😀
Werner Kastens
Hallo, lieber René!
Ich verstehe gar nicht Dein Aufbegehren. Wenn man bedenkt, dass die alte Bundesregierung unter Herrn Spahn €20 Mio. für eine Covid-Warn-App ausgegeben hat, die auch funktioniert hat, dann sind €10 Mio. doch wirklich ein Schnäppchen.
Ausserdem merkt man, dass Du keine Führungskraft mit Vorzimmerdame bist. Letztere weist den Chef nämlich auch immer darauf hin: „Ihre Frau ist in der Leitung“ oder „Achtung, schicken Sie die nette Kollegin mal lieber raus, Ihre Frau ist im Anmarsch!“
Wer so verwöhnt ist durch aufmerksame Mitarbeiter, der möchte doch gerne einem Jeden so ein kleines persönliches Warnsystem einrichten: „Achtung, Brief vom Scheidungsanwalt der Frau kommt morgen“ oder „Oma Erne kündigt wieder ihren Besuch an“, besser, wir sind nicht zu Hause!
Bitte denke noch einmal neu über den Beitrag nach, vielleicht fallen Dir doch noch weitere anspruchsvolle Anwendungen für diese Info-App ein!
BerlinAutor
Ich denke, dass die schwiegermütterliche Anwesenheitsankündigung per Post tatsächlich ein Argument für die Verwendung dieser Dienstleistung sein könnte. Danke für den Gedankenanstoss 😀
Werner Kastens
Gerne sind wir den Hauptstädtern zu Diensten, René.
Christiane
Genau. Rede es dem Customer nur genug ein, dass er es braucht, dann wird ihm alles andere egal sein, Datenschutz etc. ist ja nach deutschem Recht gewährleistet, beruhigend, oder etwa nicht? Big Brother watcht uns schließlich alle, neben der Sprechwanze in unserer Küche wird jetzt halt auch noch die Post überwacht, Verzeihung, es dient natürlich nur der Bequemlichkeit.
Was die immer alle haben, haben die etwa was zu verbergen???? 😎 Danke.
Trübe Mittagskaffeegrüße 😁🌧️☕🍪👍
Daggi Dinkelschnitte
Postsendungen werden gescannt, damit Automaten wissen, wo die Briefe hin sollen. Postkutschen wurden gestern abgeschafft, guck raus!
BerlinAutor
Ich sehe vor gelber Postdrohnen nicht was du meinst 😉
BerlinAutor
Aber echt … Big Post Brother watched jetzt auch unsere Post. Aber nur mit Zustimmung unter dem Mäntelchen der Bequemlichkeit … is klar 😉
BerlinAutor
Jabb, Big Post Brother watched jetzt auch darüber … unter dem Mäntelchen der Bequemlichkeit … man muss es nur gut positionieren 🙂
Daggi Dinkelschnitte
Konnte der ominösen Post mit ihrem 10 Mio€ Mann nachweisen, dass sie Post verbummelt, verliert, klaut. Finde ich nett von denen, vorher war der Nachweis schwierig. Jetzt geben die zu, dass sie die haben bzw. hatten und ich nicht.
BerlinAutor
Womit wir hier aber wenigstens mal einen praktischen Einsatz zum Wohle der Kunden hätten … nicht übel 😀