[ABC.Etüden 36/37.19] Hätte man in der DDR Facebook oder Instagram gehabt …
Nachdem ich feststellte wie gut mir das sehr kürzliche Verfassen einer vorgegriffenen Advents-Etüde („Adventüde“) tat und sich im Geiste so etwas wie Erleichterung breitmachte, möchte ich direkt nachlegen. Das hat mir doch gefehlt.
Diese, von Christiane gepflegte und dieser Tage vom Gründer der Etüden Ludwig Zeidler mit Worten bestückte, Form des Schreibens bietet 3 Worte, die in max. 300 Worten neu zu verkleiden sind. Dieses mal sind das:
Verzweiflungstat
ambivalent
hingeben.
[Etüde an]
Ich stelle mir gerne Fragen die offensichtlich scheinen, über die sonst aber kaum jemand nachdenkt. Was irgendwie verständlich ist. Denn meist sind sie zwar offensichtlich, aber kaum der Rede oder näheren Betrachtung wert.
Eine solche Frage die mich öfter umtreibt ist, wie die DDR heute im Hinblick auf die mittlerweile alltägliche Verwendung von Internet, Gesichtsbuch, WhatsApp und dergleichen aussehen würde. Und was die Verwendung sozialer Medien angeht, die in diesen Zeiten vielleicht eher sozialistische Medien gewesen wären.
Nicht weil mich der Sozialismus brennend interessieren würde, denn der allein war ambivalent genug, so dass es für die DDR und mindestens 2 Folgestaaten gereicht hätte. Eher das Gedankenspiel ist wohl das Reizvolle daran. Schon allein, weil der technische Rückstand bereits 1989 so gravierend war, dass man fast einen Vergleich mit dem Rückstand auf den eigentlichen Starttermin des BER in Berlin bemühen möchte. Wo man aber seinerzeit noch von Mikroelektronik sprach, wo es Monstroelektonik noch eher getroffen hätte.
Dann will ich mich doch mal kurz einem solchen Gedankenspiel hingeben.
Würde ich Selfies, die konsequenterweise „Selbstbildnisse“ hießen, nach der Ablichtung auf einen Film in die Entwicklung geben, auf ein gutes Ergebnis hoffen, den Abzug dann zur „Zentralen Elektronisierungsstelle (ZeEgS)“ zum einscannen und digitalisieren geben, und dann veröffentlichen?
Und wenn ja, wo veröffentlichen? Hätten wir freien Zugang zu Instagram oder zum Gesichtsbuch? Wohl kaum. Hätten wir eine sozialistische Alternative namens „Pionier-Buch“ oder „Hochschule Ernst-Thälmann-VZ“ die die Genossen des VEB Zentralrechner- und Anwendungsbau Karl-Marx-Stadt in einer Art Verzweiflungstat zusammencodiert haben? Ich weiß es nicht …
Abschließend meine ich aber zu meinen, dass es bei dieser Art der erdachten Alternativhistorie schnell uferlos werden kann. Wo soll man ansetzen und wie weit gehen, wenn man 30 Jahren Geschichte nachträglich zusammenreimen will?
Was die Sache trotzdem nicht weniger interessant oder reizvoll macht. Ob nun mit oder ohne Facebook …
[Etüde aus]
Ich bin bereit.
René
14 Kommentare
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Werner Kastens
Du brauchst Dich doch bloß an Deine Kindheit zu erinnern: da gab es in der Sesam-Strasse die berühmte „Was-passiert-wann-Maschine“. Vielleicht kannst Du davon noch ein Exemplar ergattern und ein paar Alternativen durchspielen?
Drücke Dir die Daumen!
LG Werner
fof_rene_berlin
Super, danke dir. Der Spass an der Sache ist, dass ich in dem Sesamstrasse-Kindheitsalter genau jenseits der Mauer lebte, und mir diese Sendung daher seinerzeit verwehrt blieb. Daher sagte mir diese Maschine bis dato noch nicht einmal was 🙂
Werner Kastens
Ja, das war wohl nur etwas für Staatsfeinde, welche die DDR unterminieren wollten.
Daggi Dinkelschnitte
Weil der technische Rückstand des Westens bereits 1989 so groß war, dass die mehrfach lang brennenden DDR- Glühlampen nicht nachgeahmt werden konnten, kam der LED- Zwang. Und natürlich des Profits wegen, was lange hält taugt nicht für den überlegenen Westen.
fof_rene_berlin
Das stimmt, das ist wohl nicht die Absicht. Beweis: noch heute fahren Mopeds der Marke Simson S51 durch Berlin. Sehen noch genau so aus und klingen auch so 🙂
alicemakeachoice
Das ist Stoff für ein Buch 🙂 Super!
fof_rene_berlin
Ja, das denke ich auch. Ich glaub da muss man sich vorher nur sehr klar darüber sein wo man anfängt und wie weit man das spinnen will. Aber das Thema treibt mich eben schon etwas länger um 🙂
Christiane
Ich kicher mich gerade ein bisschen weg. Zentrale Elektronisierungsstelle der Selbstbildnisse? Großartig. Du hast übrigens die Stasi vergessen.
Okay, ich kann nicht wirklich mitreden, trotzdem … 😉
Herzlichen Dank! Schön, dass du wieder dabei bist! (Das werde ich jetzt vermutlich mindestens bis Winter jedes Mal schreiben.)
Liebe Grüße
Christiane 😀
fof_rene_berlin
Klaro…Digitalkameras gibt es in dieser Parallelwelt (noch) nicht. Daher muss man die entwickelten Bilder ja digitalisieren…das ist dann deren Job 🙂
Und das mit der zum Ausdruck gebrachten Freude bis in den Winter ist völlig ok, ich kann das haben 🙂
schreibenwaermt
Vermutlich wäre es in der DDR ähnlich gelaufen wie in China heute. Eine Zensur gewaltigen Ausmaßes, die nicht mal vor dem Internet halt macht. Gesperrte Websites und aSanktionen bei Verstößen.
fof_rene_berlin
Richtig. Auch wenn ich persönlich meine, dass das Hauptproblem sogar der mangelnde technische Fortschritt geworden wäre, beabsichtigt oder nicht. Aber vielleicht säße ich dann heute noch hinter einem Modem, das würde nicht mal zum Bloggen reichen 🙂
wortgeflumselkritzelkram
Wie schön, wieder von dir zu lesen ?
fof_rene_berlin
Ja, es war ein paar Tage recht ruhig 🙂